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Widerstand und Ergebung


Widerstand und Ergebung Die Ästhetik einer christlichen Botschaft in der Dietrich-Bonhoeffer-Kirche Kaiserslautern
von
Hermann-Josef Ehrenberg
Annäherung und Begegnung
Der Autofahrer, der von der Schillerschule in die Höfflerstraße einbiegt, sieht seit wenigen Jahren die frisch sanierte Fassade der evangelischen Dietrich-Bonhoeffer-Kirche neben dem leuchtenden Gold des Glockenturms erstrahlen. Die Straße steigt leicht an auf die Höhe der Kirche. Und beim Näherkommen erkennt der interessierte Betrachter eine mächtige rotfarbene Skulptur, die fast die gesamte Breite zwischen den beiden Eingängen an der Stirnseite der Kirche einnimmt.
Auch wenn der Kirchturm weit in die Gemeinde um Lothringer Schlag und Dell, Alte Brücke, Feuerbachstraße bis hin zum Fischerrück und Merkurstraße seine strahlend anmutende Botschaft zu vermitteln scheint, so ist die plastische Kunst dieser Kirche der sechziger Jahre vielen Bewohnern nicht nur in der Gemeinde, sondern in der ganzen Stadt eher unbekannt geblieben. Das Gemeindeheft des letzten Sommers hat anhand historischer Presseberichte an die Installation dieser Plastik 1972 und an den Künstler Emil Krieger (München) erinnert.
Es handelt sich um eine mächtige, sechs Meter breite Arbeit aus rotem, widerstandsfähigem Granit. Das Material ist Titel und Programm zugleich und spiegelt die Botschaft vom glaubensstarken „Widerstand“ Dietrich Bonhoeffers in den öffentlichen Raum. Eng aneinandergedrängt scheinen fast zwei Meter hohe Figuren, gebeugt und ausgemergelt, eine eindrucksvolle Mauer gegenseitiger Stütze und Stärke zu bilden.
Trotz der eigenständigen Aussagekraft gewinnt die Arbeit aber erst seine inhaltliche Vollendung in einer äquivalenten Plastik im Innenraum der Kirche. Dort wurde eine ebenso mächtige Holzplastik an der Stirnseite der Kirche über dem Altar platziert. Die Arbeit mit dem Titel „Ergebung“ ist aus hellem, warmem Lindenholz gefertigt und wurde wenige Monate nach der Einweihung der Kirche im Jahre 1967 übergeben.
Im Gegensatz zur statuarischen Mauer des Widerstandes an der Außenfassade haben sich in dieser Arbeit die Figuren zu einer horizontal fließenden, kriechenden Gruppe aufgelöst. Die angedeuteten Personen scheinen unter dem schweren Kreuz Jesu gebeugt und tragen ergeben an der göttlichen Zumutung und menschlichen Last.
Die Botschaft
"Widerstand und Ergebung“ ist der Titel der gesammelten Texte und Briefe, die Dietrich Bonhoeffer aus der Haft 1943/ 1944 geschrieben hatte. Emil Krieger hat sich ganz bewusst auf dieses theologisch-philosophische und zugleich menschliche Zeugnis eines maßgeblichen Repräsentanten des protestantischen Widerstandes während der NS-Zeit bezogen.
Fälschlicherweise zitiert die Rheinpfalz (17.07.1967) bei der Übergabe am 14. Juli den damaligen Pfarrer Heinz Knieriemen mit "Widerstand und Erhebung". "Die Menschen liegen in betender und ringender Haltung. Sie sind auf dem Durchbruch dorthin wo es heißt, die sind aus der Trübsal gekommen. Sie wollen uns mitnehmen dorthin. Die Erhebung ist hier angeboten" (ebd.). Aber das muss sich um eine akustische Verwechslung des damaligen Redakteurs gehandelt haben (die Pfälzische Volkszeitung hat übrigens am 15.07.1967 richtigerweise die „Ergebung“ zitiert). Denn es geht in der Tat bei Bonhoeffer um Ergebung, um die Frage, wann das Schicksal ("Es") Gottes Wille und Fügung ist und Widerstand der gläubigen Ergebung zuwiderläuft. Meines Erachtens ist inhaltlich auch schwerlich ein "Durchbruch" zu erkennen, allenfalls ein Durchzug, möglicherweise wie das Volk Israel auf dem Weg durch die Wüste Sinai ins gelobte Land.
In der Tat sind beide Kunstwerke trotz imposanter Größe, Materialität und Plastizität nur nach mehrmaliger Betrachtung lesbar. Das Studium der Bonhoeffer-Briefe hilft, sicherlich nicht aller, aber zumindest seiner Überlegungen zu Widerstand und Ergebung, geschrieben am 21. Februar 1944 in der Wehrmachtzelle Berlin-Tegel.
Der Künstler Emil Krieger und das Werk
Emil Krieger wurde 1902 in Kaiserslautern geboren, nach seiner Ausbildung an der Handwerkerschule in Kaiserslautern hat er ab 1921 seine Ausbildung und Studien in München fortgesetzt. Seit 1931 war Emil Krieger in München als Maler und Bildhauer selbstständig tätig, unternahm aber auch zahlreiche Auslandsreisen, im Jahre 1936 verbunden mit einem Stipendium der Villa Massimo in Rom.
Für die Zeit nach 1938 bis 1945 sind nur sehr wenige Arbeiten von Emil Krieger bekannt. Die Werkliste zur Ausstellung 1963 (Pfälz. Landesgewerbeanstalt Kaiserslautern … 1963) nennt zwei Arbeiten von 1938 und 1940. Die meisten Arbeiten sind während des Krieges zerstört worden. In der kurzen Werkliste bei wikipedia wird u. a. für das Jahr 1944 eine Büste des Gauleiters der Pfalz, Josef Bürckel, erwähnt (http://de.wikipedia.org/wiki/Emil_Krieger, gesehen am 09.01.2013). In diesem Zusammenhang wirkt allerdings auch ein fast hymnischer Atelierbesuch aus den 30iger Jahren befremdlich, der in rassistischer Diktion Emil Krieger zu den „zuchtvollen und echten Künstlernaturen (zählt), in dem klaren Willen und Können, mit dem Geschaffenen nicht außerhalb dessen zu stehen, was uns heute als deutsche Gemeinschaft formt“ (NSZ Rheinfront 02.08.1935). Insofern war es vielleicht auch verständlich, dass er 1936 vom Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung das Rom-Stipendium erhielt.
Welche biografische Bedeutung die 1944 datierte Büste des nationalsozialistischen Gauleiters hat, lässt sich aus den zugänglichen Unterlagen nicht deutlich erkennen. Einen tatsächlichen Nachweis dieser Büste konnte der Autor trotz intensiver Nachforschung nicht erbringen. Vielmehr ist eine politische Nähe Kriegers zum Nationalsozialismus äußerst unwahrscheinlich. Emil Krieger war seit seiner Meisterschulzeit in Kaiserslautern mit Graphiker Carl Maria Kiesel befreundet (1903-1971). Dieser war Mitte der dreißiger Jahre Stützpunktleiter des antifaschistischen Widerstandes in Mannheim/ Ludwigshafen (http://www.ns-dokuzentrum-rlp.de/?id=613), bevor er schließlich verhaftet wurde. Die Freundschaft ist als eng und dauerhaft bezeugt (S. Faschon 1975). Sie währte Jahrzehnte und wäre ohne eine gleichgesinnte Haltung und Wertschätzung in schweren, existentiellen Zeiten unvorstellbar gewesen. In diesem Sinne scheint auch die völkisch anmutende Bewertung aus den 30iger Jahren eher dem aufkommenden Zeitgeist rassistischer Verblendung und der ideologischen Pressediktion geschuldet. Nicht zuletzt ist Emil Krieger Mitte der 50-iger Jahre vom Deutschen Kriegsgräberbund mit dem Auftrag für das Ehrenmal des Soldatenfriedhofs in Flandern (Langemar( c)k) betraut worden. Alles zusammen Zeugnisse eines offenen Vertrauens und einer Wertschätzung für einen Menschen und Künstler, der mit den Zitaten Dietrich Bonhoeffers ein dauerhaftes, plastisches Zeugnis für mutigen Widerstand und ergebenes Gottvertrauen geschaffen hat.
Neubeginn
Nach dem Krieg erhielt Emil Krieger im Jahre 1946 einen Lehrauftrag an der Bayerischen Hochschule für Bildende Künste, seit 1975 ist ihm der Professorentitel verliehen worden (http://www.adbk.de/Medien/PDF/Historisches/Professore n_AdBK_1808-2013.pdf, gesehen am 13.01.2014). Er bezog ein eigenes Atelier am Karolinenplatz in München, das bis zu seinem Tod als künstlerischer und oft auch geselliger Treffpunkt galt.
Die Darstellung der Erhabenheit des Menschen, des menschlichen Körpers war sein zentrales Thema. Werkbeispiele sind: "Kore" (Schloss Koblenz 1952), Odeonbrunnen (Innenministerium München 1952), "Trauernde Soldaten" Soldatenfriedhof Langemark, Belgien 1957) und Zahlreiches mehr. Im Pfalzmuseum Kaiserslautern mehrere kleinere Plastiken und grafische Blätter, prominent im Foyer großformatiges Wandrelief "Jüngling mit Pallashelm" (1954), oder in Neustadt die "Weintraubenträgerin" (1955), eine Wettbewerbsarbeit im Haus der heutigen SGD-Süd. Und schließlich „Diana“, der lang erwünschte offizielle Auftrag seiner Heimatstadt zur Einweihung des Hallenbades 1964. Nach Abriss des Bades 2007 hat „Diana“ einen neuen Standort am Warmfreibad an der Entersweilerstraße gefunden.
Der Formensprache von Emil Krieger wurde eine archaische Ausstrahlung zugesprochen, ohne dass sie sich zu weit vom Modell entfernt. Das Material atmet und „das Leibhaftige wird nur soweit zum Ausdruck gebracht, als es dem Ausdruck des Seelischen dient“(K. F. Ertel 1952). Er habe nie die natürliche Gestalt des Menschen in seinem Schaffen aufgegeben, sondern „das Wesentliche erfasst und herausgearbeitet“ (W. Weber zit bei S. Faschon (o. J.) nach 1979). Die Kunstkritik hat früh auch auf seine besondere grafische Begabung verwiesen. Zahlreiche Skizzen und Bilder gelten als eigenständige Arbeiten, die weit über die Studien zu einer plastischen Ausformung hinausreichen (C. M. Kiesel 1953).
Die Arbeit an der Bonhoeffer-Kirche ist vielleicht auf die enge, langjährige Freundschaft mit C. M. Kiesel zurückzuführen, der zwischen 1947 und 1965 Direktor der Pfalzgalerie war. Er bat 1948 Emil Krieger auch, in eine gesicherte Anstellung an die neu gegründete Meisterschule seiner Heimatstadt zurück. Aber dieser lehnte zugunsten seiner jahrzehntelangen Münchener Kunstfreiheit ab.
Es ist auch denkbar, dass die Bekanntschaft zwischen dem Künstlerfreund Kiesel und dem ortsansässigen Kirchenbaumeister Hans-Georg Fiebiger Grund dafür war, dass in Kaiserslautern Kunstgeschichte von regionaler oder gar überregionaler Bedeutung geschaffen wurde. Dass darüber hinaus der damals (1967) zuständige Dekan für das Bauwesen Martin Krieger, Festredner zur Einweihung der Kirche und Übergabe der ersten Plastik, zugleich Onkel des Künstlers Emil Krieger war, hat das geniale Projekt möglicherweise befördert.
Emil Krieger hat verschiedene Auszeichnungen und Preise erhalten. Er ist nach Aufzeichnungen ein sehr lebensfroher Mensch gewesen, der in der Schwabinger Szene Mittelpunkt mancher geselliger Stammtische und Feste gewesen war. Gleichwohl wurde ihm ein unbequemes und ungestümes Temperament attestiert, der scharfzüngig bis zynisch seine Umgebung glossierte.
Emil Krieger ist am 06. September 1979 in München gestorben und auf dem Nordfriedhof beerdigt worden.

Die Wahrnehmung
Der Vorbeieilende bleibt nun vielleicht doch einmal beeindruckt vor dem sechs Meter breiten „Widerstand“ an der Front der Bonhoeffer- Kirche stehen. Das theologisch-philosophische Äquivalent der „Ergebung“ im Innenraum hingegen bleibt dem alltäglichen Passanten verschlossen.
Es ist schade, dass Kirchen ihre herausragenden Kunstwerke, in besonderer Weise aber die damit verbundenen Botschaften und Lebensdeutungen nicht ganzheitlich in den öffentlichen Raum stellen (können).