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„Kunst oder Kehrwoche“ - Das grandiose Missverständnis von LandArt

Eine Anmerkung zum Beitrag von Markus Clauer in der Rheinpfalz vom 12.04.2018

Markus Clauer beklagt die Zerstörung einer LandArt-Installation und stellt damit die Frage nach der Kunst im öffentlichen Raum, spezieller im Stuttgarter Straßenraum. Das örtliche Grünflächenamt hat Gehölzrückschnitte durchgeführt. Auch an einer Strauchgruppe, die angeblich ein 86-jährigen Künstler namens Herman de Vries anlässlich der IGA 1993 innerhalb des Verkehrsknotens zweier Bundesstrassen hat wachsen und gedeihen lassen. Seit 25 Jahren wilde Sukzession, aber umfriedet von einem goldbespitzten Stahlzaun.

Mal unabhängig davon, was den Amtsleiter zu dem Pflegehieb bewog und unabhängig davon, dass der Fachkollege zurecht, wenn auch flapsig und vielleicht überheblich, auf den natürlichen Kreislauf des Werdens und Vergehens, verweist – aber ein respektloser Frevel oder gar kunstgeschichtlicher Konzeptverlust ist es nicht. Um LandArt handelt es sich schon mal gar nicht, noch nicht mal um Naturkunst. Das kleine Gehölzrondell müsste sich messen lassen an den bewusst vergänglichen Arbeiten von Andy Goldsworthy oder gar eines James Turrell, dessen Kunst Körper und Geist, rationale Intelligenz und sensuale Wahrnehmung des Menschen in einen wohl kalkulierten Raumzusammenhang stellt.

Es gehört zur täglichen Arbeit eines Landschaftsarchitekten, bewusst den Baum in die unwirtliche Betonwüste zu pflanzen, Strauch und Stein zu setzen, um dem Ort Individualität und Aufenthaltsqualität zu geben, eine feudale Allee entlang der Straße zu planen oder einen profanen Verkehrskreisel zu gestalten. Alles wohl kalkulierte Zeichen, die Harmonie oder Provokation sind. Dazu gehört auch das Verkehrsgrün zwischen B 10 und B 27 in Stuttgart. Das sind alles selbstverständliche Leistungen des Landschaftsarchitekten, wenig anspruchsvoll, gleichwohl gelungen oder große Herausforderung und einzigartige Gestalt.

Dennoch beinhaltet der Vorgang für den interessierten Landschaftsarchitekten noch weiterreichende Fragen. Nämlich die nach dem Eigentum des kleinen Runds. Wer ist Sorgenträger der Verkehrssicherung? Mit welcher Fachkompetenz sind die Mitarbeiter des ausführenden Regiebetriebes ausgestattet? Welcher Stellenwert kommt dem öffentlichen Grün in der Großstadt, auch und gerade in den beengten Unorten zu?

Und dann gibt es noch eine philosophische Dimension, nämlich die nach der Natur der Stadt. Sie wird leider zu oft und zu leidenschaftlich verteidigt im wilden Unterholz oder hinter eines Baumes Rinde. Dort sind überall winzig kleine Lebensräume für agile Käfer, Kleinsäuger oder Heckenbrüter. Das ist wohl wahr – falls sie denn kompatibel sind mit der verkehrsumtosten Umgebung. Sie ist jedoch kein Ort für den Menschen, für Kinder oder Senioren, für Aufenthalt oder Erholung. Es ist aber doch auch und gerade die Aufgabe der Stadtnatur, die Lebensqualität zu verbessern, die Lufthygiene und den Lärm zu lindern, den Freiraum zu schaffen und die Erreichbarkeit gefahrlos zu ermöglichen. Der geneigte Städter muss dann nicht in die Wüste von Arizona reisen, um bei James Turrell die Ästhetik von Erddrehung und Fixstern leibhaftig zu erleben. Es wäre LandArt im besten Sinne, wenn die Bau- und Kulturkritik den existentiellen Zusammenhang von Natur der Stadt hier einfordern würde.

Kaiserslautern, den 14.04.2018/ 20.04.2018/ 22.04.2018