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„Licht, Luft und Sonne: Grünes Bauhaus“
- Eine kleine Nachbetrachtung -
6. Hambacher Architekturgespräche am 05.09.2019 Hambacher Schloss in Neustadt/ Weinstraße
100 Jahre Bauhaus, allüberall Gedenken, Objekte, Präsentationen. Eine stilistische und ideologische Ikone wirkt bis in die Gegenwart fort. Das Bauhaus erstrebt die Sammlung alles künstlerischen Schaffens zur Einheit, die Wiedervereinigung aller werkkünstlerischen Disziplinen – Bildhauerei, Malerei, Kunstgewerbe und Handwerk – zu einer neuen Baukunst als deren unablösliche Bestandteile. Das ist die Herausforderung im Manifest 1919 gewesen, wobei Architekten, Bildhauer, Maler, alle müssten zum Handwerk zurück. So proklamierte Walter Gropius, der Gründer des Bauhauses die Zukunft des Berufsstandes. Der Künstler sei zwar die Steigerung des Handwerkers, aber Kunst von Beruf gäbe es nicht. Nur seltene Lichtmomente, die jenseits des Wollens stehen, lassen unbewusst Kunst aus dem Werk seiner Hand erblühen.
Nun denn, in diese elitäre Selbstgewissheit hinein war für den Landschaftsarchitekten selbstverständlich auch die Frage nach der Freiraumqualität logische Folge. Und es war schließlich gelungen, in der berufspolitischen Gegenwartsdiskussion diese spezifische Frage nicht nur in den Veranstaltungskatalog der Architektenkammer Rheinland-Pfalz aufzunehmen, sondern auch bei den Hambacher Architekturgesprächen 2019 öffentlichkeitswirksam zu verorten. Alle Weichen für eine prominente Präsentation landschaftsarchitektonischer Ideengeschichte waren gestellt. Der große Festsaal im Hambacher Schloss war mit ca. 170 Teilnehmern bis weit in die hinteren Reihen gefüllt. Der Oberbürgermeister von Neustadt formulierte für das erbetene Grußwort kluge Gedanken zur Qualität von Planen und Bauen, Präsident Gerold Reker begrüßte routiniert die zahlreichen Gäste und GDKE-Direktor Thomas Metz ließ erkennen, dass er nun doch überzeugt sei von der richtigen Verortung dieser Gesprächsreihe.
Und er stellte zugleich auch Fragen, in der Hoffnung, dass die nachfolgenden Referentinnen und Referenten Antworten gäben. Was macht eine Freianlage zu einem Gartendenkmal? Was ist zu tun, wenn die historische Grünanlage unter zeitgenössischen Nutzungsdruck leidet, vielleicht sogar ganz im Geiste der ursprünglichen sozialen Freizeit- und Erholungsbestimmung?
Dann die Referentin, Sylvia Butenschön, Landschaftsarchitektin und zugleich wiss. Mitarbeiterin im Lehr- und Forschungsgebiet Gartenkulturgeschichte und Gartendenkmalpflege an der TU Berlin. Dem fachkundigen Publikum als Autorin zahlreicher Veröffentlichungen bekannt. Insofern stellte sie auch mit dem Vortragsthema eines ihrer Untersuchungsprojekte vor, nämlich die Freiraumqualitäten im sog. Abstandsgrün des mehrgeschossigen Wohnungsbaus in Berlin. Historischer Geschosswohnungsbau und wohnungsnaher Freiraum, bekannte Baumeister ihrer Zeit und immer wieder der Gartenarchitekt Leberecht Migge, dessen Name sich wie ein Leitfaden durch die abendlichen Vorträge zog. Es gab auch einige wenige andere Gartenarchitekten, die seinerzeit am Neuen Bauen mitwirkten, aber es ist schon korrekt, dass für Migge vor allem das Gartenideal funktionaler Freiraumnutzung und die Selbstversorgung stand. Das verwies noch stark an die gartenstädtische Autarkiebewegung, die er für die serielle Verortung im mehrgeschossigen Wohnungsbau umzusetzen versuchte. In einer abschließenden Synthese assoziierte Sylvia Butenschön schließlich das Abstandsgrün heute als historische Zeugnisse von Utopie und Demokratie, es stehe für Ratio und Identität. Eine etwas überraschende Begriffsquadriga, wovon den Berichterstatter, dem das Abstandsgrün kindlicher Erlebnisraum- und Abenteuerraum gewesen ist, am ehesten die Identifikation an Heimat und Sicherheit erinnert.
Anschl. Wolfgang Voigt, Architekturhistoriker aus Frankfurt, der ebenfalls über das neue Bauen sprach, die Moderne Großstadt in Grün portraitierte und dabei seine persönliche Begeisterung für die Baukunst und die Protagonisten Frankfurter Stadtgeschichte der zwanziger Jahre nicht verhehlen konnte. Schließlich musste ihn der wie immer souveräne Moderator, Reinhard Hübsch, einbremsen, um anschließend noch zur Talk-Runde einzuladen. Dazu ist dann noch Constanze Petrow, Professorin am Institut für Freiraumentwicklung in Geisenheim, gebeten worden. Leider hatte man für sie offenkundig keine Vortragszeit gefunden, das hätte sich gelohnt. Präzise auf den Punkt, klar in der Diktion, große Fachkunde! Und sie hatte dann auch als Erste den Mut zu bekennen: es hat nie ein Grünes Bauhaus gegeben. All das, was Sylvia Butenschön und Wolfgang Voigt vorgestellt hatten, waren Konzepte des zeitgenössischen Großwohnungsbaus. Seinerzeit großartige und innovative Lösungen, um der rasch wachsenden Bevölkerungsentwicklung in der Stadt zu begegnen. Für den Landschaftsplaner heute schon erstaunlich, wie ökologisch geplant wurde. Aber mit der baukünstlerischen Ambition des Bauhauses und der kunsthandwerklichen Zielsetzung ihrer Gewerke hat das nur am Rande was zu tun. Der Bauhaus-Lehrplan sah zwar das Entwerfen von Außen-, Garten- und Innenarchitekturen vor, aber für die Ergebnisse in Dessau und anderswo trifft wohl eher die bescheidene Qualität horizontaler Grünplanung zu. Deshalb war sich die Talk-Runde auch bald insgesamt einig: ein grünes Bauhaus hat es in der Tat nicht gegeben. Logischerweise kam dann auch die richtige Rückfrage aus dem Publikum: warum nicht? Warum ist es seinerzeit nicht gelungen, die wenigen Gartenarchitekten, die es ja durchaus gab, in die ästhetische Bauhaus-Debatte einzubinden?
In dem Moment bemerkte der aufmerksame Zuhörer und Berichterstatter, wer an jenem schönen Abend an diesem wunderbaren historischen Ort von Versammlung und Debatte gefehlt hat: der Berufsstand! Es war alles angerichtet, die Thematik war zugespitzt, spannende Fragen zur Landschaftsarchitektur waren gestellt, die Bühne für fachkundige Kollegenschaft war bereitet. Der Einladung der Architektenkammer Rheinland-Pfalz waren insgesamt rund 170 Gäste gefolgt. Aber, allein nur 10, in Worten zehn Kolleginnen und Kollegen der Landschaftsarchitektur sind tatsächlich zu dieser spezifischen Fachveranstaltung über Geschichte und Gegenwart der Freiraumplanung und Landschaftsarchitektur gekommen.
Das wäre die Gelegenheit gewesen, auf die Berufsgeschichte und den gesellschaftspolitischen Stellenwert hinzuweisen. Die Fachreferenten hatten zwar Volksparkbewegung und Gartenstadt erwähnt, aber die Frage nach der Dichotomie von Bauhaus und Freiraum verlangte nach breiter Fachkompetenz. Die Frage blieb an jenem Abend unbeantwortet.
Ein zweiter Blick, die Nachbetrachtung zur Frage müssen zurückreichen bis in die Volkspark und Stadtparkbewegung der Kaiserzeit. Es war die Zeit der bürgerlichen Emanzipation und Präsentation im Öffentlichen. Es entwickelten sich lebensreformerische Konzepte und Lebensstile, welche in den unterschiedlichsten Vereinen und Bünden gelebt wurden. Es ging fast immer auch und vor allem um Licht, Luft und Sonne, also um Alternativen zur gesundheitsschädlichen und sozialunverträglichen Lebens- und Wohnsituation in den rasant wachsenden Städten. Daneben die Schrebergartenbewegung, die Naturfreunde, die Wandervogelbewegung, die Freikörperkultur usw usw, alles selbstverständliche und weit verbreitete Sehnsuchtsorte und Ideale, in der der Bauhaus-Bauherr und sein Architekt keinen Widerklang hatten.
Die im Hambacher Schloss vorgestellten Projektbeispiele aus Berlin und Frankfurt sind erste und wichtige Zeugnisse eines neuen Denkens und einer Verantwortung für gesunde Lebensund Wohnumstände gewesen. Die Arbeitslosigkeit und die Wohnungsnot der zwanziger und dreißiger Jahre konnten trotzdem nicht aufgefangen werden. Mit den sog. Notverordnungen seinerzeit sollten die gesellschaftspolitischen Extremsituationen, in erster Linie die Arbeitslosigkeit und Wohnproblematik reguliert werden. Dazu zählten die Förderung sog. Kleinsiedlungen in Stadt und Land, die Bereitstellung von Kleingärten etc., alles auch politstrategische Angebote, um aufrührerischen Ambitionen sozialer Bodenreform vorzubeugen. Vielleicht waren es aber auch Möglichkeiten, die über die Eigenversorgung und Selbstbestimmung hinaus insbesondere an den Rändern der Stadt zu einer idealisierten Verschränkung der beiden Welten Stadt und Land geführt haben.
Vor diesem Hintergrund erklären sich möglicherweise auch die konträren Welten von Bauhaus und Schrebergarten. Denn die Diskussion lässt sich nicht führen, ohne die sozio kulturelle Betrachtung des Naturbegriffs und das Naturverständnis jener Zeit. Der Beruf des damaligen Gartenarchitekten basierte auf der klassischen Landschaftswahrnehmung (Ästhetik) und neuzeitlichen Durchdringung (Ökologie). In feudaler Zeit haben noch König und Fürst über Nutz und Schutz von Natur und Landschaft bestimmt. In der spätbürgerlichen Kaiserzeit des 19. Jh. aber und in der Weimarer Zeit nach 1918 sind Landschaft und Ökologie in den sozialen Dienst der Menschen gestellt worden. Ob Volkspark oder Naturfreunde, es hatte eine selbstbestimmte Aneignung von Stadtlandschaft und Natur stattgefunden, die ganz im Zeitgeist von Bürgerschaft und Proletariat standen.
Eine elitäre Fremdbestimmung über die vielgliedrige Gestalt des Bauens ( … ) als kristallines Sinnbild eines neuen kommenden Glaubens (1919) war vollkommen an der Lebenswirklichkeit der Bevölkerung vorbei. Diese hatte sich nämlich schon lange, wenn auch in unterschiedlicher und selbstbestimmter Ausprägung, eine eigene Lebensreform verwirklicht - wenn auch Ende der zwanziger und zu Beginn der dreißiger Jahre sich wieder ein neues Zeitalter ankündigte, an dem auch Landschaftsarchitekten unseligerweise mit Rat und Tat mitgewirkt haben.
Kaiserslautern, den 11.09.2019