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Hochwasserrisikomanagement (HWRM) – Richtlinie in Reinland-Pfalz
am 01.12.2021
Vermerk Vorstandssitzung am 03.12.2021
Seit Jahren gibt es den Beirat zum Thema „Hochwasser“ bei der Landesregierung, im Speziellen angesiedelt beim Umweltministerium, zwischenzeitlich als Klimaministerium auch MKUEM abgekürzt. Unterzeichner war früher (2011) schon mal Mitglied in diesem Gremium, hat nun noch einmal Im Auftrag der Architektenkammer Reinland-Pfalz neu teilgenommen. Die Veranstaltung war als webmeeting organisiert und perfekt durchgeführt worden.
Der neue Staatssekretär, Erwin Manz eröffnete die Tagesordnung und den thematischen Schwerpunkt in TOP 2 bzgl. Katastrophenereignis Ahr mit Einzugsgebiet und die planungsrechtlichen und fachlichen Schlussfolgerungen. Eigentlich sollte TOP 3 mit dem HWRM-Plan Rhein im Mittelpunkt stehen. Aber es war allen von vorne herein klar, dass die Berichterstattung zum Thema Ahr Zeit in Anspruch nehmen würde. So kam es denn dann auch, zumal die Berichterstatter, allesamt Mitarbeiter in den Landesbehörden und Fachabteilungen ausführliche, hochqualifizierte Vorträge lieferten. Im Mittelpunkt stand zunächst die hydrologische Berichterstattung (Bettermann LfU) zum Abflussgeschehen am 14. und 15.07.2021 und das vermutlichen Ursachenbündel. Neben der Tatsache, dass verschiedene naturgeographische und anthropologische Umstände das Abflussgeschehen in der katastrophalen Komplexität begründet haben, ist das Thema „Vorhersage“ und „Risikowarnstufen“ problematisiert und für die zukünftigen Handlungs- und Warnungsbedarfe identifiziert worden.
Es ist rein rechnerisch eine Abflusshöhe vor Ort mit mehr als 7 m errechnet worden, in der Tat aber sind mehr als 10 m Höhe(!) gemessen worden. Es ist nachweislich so, dass allein die Brückenhindernisse einen Spitzenabfluss von +2,80 m verursacht haben. Insgesamt wird ein HQ500 definiert, der auch weit in die vorh. Bebauung hineingereicht hat. Die übertragenen Grenzen eines HQ100 sind weit überschritten worden, so dass diesbezügliche Neuausweisungen mit entsprechenden Konsequenzen für Bau- und Siedlungsgenehmigungen gefolgert werden (müssen). Die neuen HWR-Karten zeigen darüber hinaus Besondere Gefahrenbereiche auf, in denen die Errichtung baulicher Anlagen grundsätzlich verboten werden wird. Wie kompliziert die eigentumsrechtliche Fragestellung ist, wurde genau an diesen Begründungszusammenhängen und Genehmigungskonsequenzen deutlich gemacht. Die (Wieder-)Errichtung einer baulichen Anlage ist definitiv unzulässig, die Instandsetzung hingegen wird – unter Auflagen – geduldet werden müssen.
Welche Auflagen das sein werden, dazu wurde seitens des Ministeriums auf die diesbezügliche Fortbildung und die bereits jetzt stark nachgefragte Kooperation mit der Architektenkammer verwiesen. Auf jeden Fall ist allen klar, dass es sich nicht nur um die bautechnische Lösung handeln kann, sondern dass es neben den regionalen und lokalen Restriktionen in Gefahrenzonen auch und vor allem um die Überprüfung und Anpassung bereits bestehender Bebauungspläne gehen muss. Das HQ100 muss neu verortet werden, lokal auch nachvollziehbar sein, ein ganz wesentliches Argument der Katastrophenkommunikation.
Überhaupt das Wort „Katastrophe“ hat einen vollkommen neuen Stellenwert erhalten, der bis in räumliche Planung, in die Bauleitplanung hineinwirken wird. Für die Gewässerentwicklung und Hochwasserplanung bedeutet das, dass hier nicht nur die geeigneten Wege neu aufgezeigt werden müssen, wie Vorsorge und ggfs. Flucht vor Gefahren ganz konkret und räumlich möglich sind, sondern am Beispiel der Ahr wurde ganz klar die grundsätzliche Möglichkeit und die eventuelle Unmöglichkeit gewisser Nutzungen, z. B. der Camping-Nutzung angesprochen. Das trifft selbstverständlich auch die naturschutzfachlichen Entwicklungsziele, die von der Landwirtschaftskammer (Gockel) vor dem Hintergrund von Totholz problematisiert wurden, von der Pollichia (Schlapkohl) aber vehement verteidigt wurden. Insgesamt ist seitens der Oberen Behörden (Gerke SGD-Nord) klar geworden, dass nicht jeder Unterhaltungsstau gleich auch Naturschutzziel sein kann, sondern dass diese Erfahrungen gezeigt haben, wie wichtig eine gezielte und zonierte (Siekmann IK RP) Pflege und Entwicklung der Gewässer sind. Und das kostet Geld, das man zukünftig für Planung und Umsetzung bereithalten muss! Das sei auch in der Bundes UMK so gesehen worden. Nicht nur Änderungsbedarf im Bauplanungs- und Bauordnungsrecht, sondern da müssten Finanzmittel her, mindesten so wie im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung sich abzeichnen.
Im TOP 3 dann der HWRM-Plan Rhein, der fristgerecht am 22.12.2021 veröffentlicht werden wird. Irgendwie setzt das Thema Hochwasser ein ganz neues Problembewusstsein frei. Der HWRM-Plan Rhein benennt Erkenntnisse, die eigentlich immer schon in der Verantwortung der Flächen- bzw. Landschaftsplanung gehört haben. Nämlich, dass die Versiegelung das Problem ist, dass das Bauen und die Bauleitplanung die Zukunftsaufgaben sind, dass diese primär auf lokaler Ebene zu lösen sind und und und. Mal schauen, ob und wie lange sich das umsetzen wird. Solange der Begriff der Katastrophe einen neuen planungspolitischen Stellenwert bekommt, solange können wir hoffen, dass unsere rationale Planungsleistung endlich den Stellenwert bekommt, den sie verdient.
Das zeichnet sich (TOP 4) auch mit einem neuen Begriff wie des Bundesraumordnungsplan Hochwasser ab, über den – ganz frisch veröffentlicht am 19.08.2021 – abschließend informiert wurde.
Kaiserslautern, den 02.12.2021